(Vergleiche BGH, Urteil vom 27.9.2016 – VI ZR 673/15)
Der BGH hatte einen Fall zu entscheiden, bei dem die 100-prozentige Haftung des einen Unfallbeteiligten unstreitig war. Der zum Schadensersatz berechtigte Unfallbeteiligte ließ sein Fahrzeug am Tag nach dem Unfall durch einen Sachverständigen begutachten. Der Sachverständige ermittelte zum einen den – zwischen den Parteien des Rechtsstreites unstreitigen – Wiederbeschaffungswert mit knapp 28.000 €. Zum anderen gab der Sachverständige, anhand von mehreren von ihm auf dem regionalen Markt eingeholten Angeboten, den Restwert des beschädigten, unreparierten Fahrzeugs mit 10.750 € an. Der Geschädigte machte bei der Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers seine Schäden geltend und legte hierbei das Sachverständigengutachten vor. Wenige Tage später verkaufte der Geschädigte sein Fahrzeug unrepariert für 11.000 €, also knapp über dem vom Sachverständigen festgestellten Restwert auf dem regionalen Markt. Zwei Tage danach legte die Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers mehrere deutlich höhere Restwertangebote vor, darunter ein Restwertangebot i.H.v. 20.090 € eines nicht zum örtlichen Markt gehörenden Händlers. In der Folge rechnete die Haftpflichtversicherung auf der Basis dieses höheren Restwertes von 20.090 € ab, zahlte dem Geschädigten also nur die Differenz zwischen diesem Restwert und dem Wiederbeschaffungswert, obgleich der Geschädigte sein Fahrzeug tatsächlich für 11.000 € und damit unter Einhaltung der Vorgaben des Sachverständigengutachtens verkauft hatte.
Der Geschädigte erhob Klage in Höhe der Differenz zwischen dem von der Versicherung angesetzten Restwert von 20.090 € und dem von ihm tatsächlich erzielten Restwert von 11.000 €. Das Landgericht wies die Klage des Geschädigten ab, das Oberlandesgericht gab der Klage in der Berufungsinstanz statt. Die beklagte Versicherung legte Revision zum Bundesgerichtshof ein, der die Entscheidung des Oberlandesgerichtes bestätigte.
Der Bundesgerichtshof führte aus, dass selbstverständlich der Geschädigte sich beim Verkauf des Unfallfahrzeuges am Gebot der Wirtschaftlichkeit orientieren müsse. Er müsse also im Rahmen des ihm zumutbaren und unter Berücksichtigung seiner individuellen Lage den wirtschaftlichsten Weg wählen. Hierzu gehört im Rahmen wirtschaftlicher Vernunft auch, das geschädigte Fahrzeug nicht unter Wert zu verkaufen.
Der Bundesgerichtshof macht in seinem Urteil deutlich, was von dem Geschädigten zur Einhaltung des Wirtschaftlichkeitsgebotes bei der Veräußerung des Fahrzeuges zum Restwert erwartet wird:
Der Geschädigte leistet laut BGH diesem Wirtschaftlichkeitsgebot im Normalfall Genüge, wenn er sein Fahrzeug mindestens zu dem Preis veräußert, den ein Sachverständiger in einem Gutachten, welches eine korrekte Wertermittlung erkennen lässt, als Restwert auf dem allgemeinen regionalen Markt festgestellt hat. Eine Verpflichtung des Geschädigten selbst weitere Angebote einzuholen oder die Angebote räumlich entfernter Interessenten einzuholen oder auch einen Sondermarkt für Restwertaufkäufer im Internet in Anspruch zu nehmen besteht nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes nicht. Ebensowenig ist der Geschädigte verpflichtet zunächst der Versicherung des Unfallgegners Gelegenheit zur Einholung und Weiterleitung eigener Restwertangebote zu geben.
Der Bundesgerichtshof macht allerdings auch deutlich, dass ein gegebenenfalls über dem vom Sachverständigen festgestellten Restwert liegender Verkaufserlös im Regelfall trotzdem in voller Höhe zu berücksichtigen ist. In dem hier entschiedenen Fall war also für die Schadensberechnung nicht von dem Restwert laut Gutachten i.H.v. 10.750 € sondern von dem tatsächlich erzielten Verkaufserlös von 11.000 € auszugehen. Das erst später von der Versicherung übermittelte Restwertangebot über 20.090 € war dagegen nicht mehr zu berücksichtigen.
Anmerkung:
Die Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 27.9.2016 bestätigt eine ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, an welcher der BGH trotz hieran immer wieder geäußerter Kritik weiter ausdrücklich festhält.
Zu beachten ist aber auch, dass in dem hier entschiedenen Fall das Fahrzeug verkauft worden war, BEVOR das weitaus höhere Restwertangebot der Versicherung dem Geschädigten zuging. Legt die Versicherung des Schädigers dem Geschädigten ein über dem Restwert aus dem Sachverständigengutachten liegendes Restwertangebot vor, bevor dieser das Fahrzeug anderweitig verkauft hat, so ist der Geschädigte zwar noch immer nicht verpflichtet sein Fahrzeug an den von der Versicherung genannten Restwertaufkäufer zu veräußern, muss sich dann aber aufgrund des Wirtschaftlichkeitsgebotes regelmäßig so behandeln lassen, als habe er den höheren Kaufpreis des Restwertaufkäufers erzielt. Das gilt jedenfalls dann, wenn – wie bei derartigen Restwertangeboten allgemein üblich – der Geschädigte letztlich nur noch dem Restwertaufkäufer telefonisch sein Einverständnis signalisieren muss, der sich dann um alles Weitere kümmert, so dass der Geschädigte keinen zusätzlichen Aufwand hat.